Quantcast
Channel: Crescendo » Gesellschaft
Viewing all articles
Browse latest Browse all 129

Livestreaming: Oper im Netz - Livestreaming: Oper im Netz

$
0
0

Nach einem Auftritt lässt Tara Erraught ihren Abend am liebsten ruhig ausklingen. Im Anschluss an den Live-Stream von Mozarts „La Clemenza di Tito“ Mitte Februar war das für sie unmöglich. „Als ich nach Hause kam, war ich auf positive Art schockiert“, schwärmt die Mezzosopranistin über die „verblüffende“ Online-Resonanz auf ihre Hosenrolle als Sesto in Jan Bosses Neuinszenierung an der Münchner Staatsoper. „Leute von Südamerika bis Irland hatten zugeschaut und jede Sekunde der Oper auf Facebook und Twitter kommentiert. Ich hatte keine Ahnung, wie groß die Power des Internets ist. Dass auf diesem Weise Menschen, die zu weit weg wohnen oder kein Ticket bekommen, eine Vorstellung verfolgen können, ist toll.“ Bis zu 100.000 Zugriffe aus fünf Dutzend Ländern wurden schon gezählt, wenn Stars bei einem Streaming aus den Nationaltheater zu sehen und hören waren. Insofern hat sich die „Ausweitung des Kulturauftrags“ gelohnt, die laut Pressesprecher Christoph Koch seit 2011 mit circa zehn kostenlosen Angeboten pro Saison für eine „Öffnung des Hauses“ sorgen soll. „Ziel ist, einem möglichst breiten Publikum unsere Musiktheater-Sprache nahe zu bringen“, erklärt er. „Und zwar durch Mitschnitte in drei HD-Übertragungsqualitäten, die maximal sechs Kameras und 40 Mikrophone aufnehmen.“ Vor der Vorstellung gebe es außerdem eine Einführung von Intendant Nikolaus Bachler zu sehen, in den Pausen vorproduzierte Interviews rund die Produktion, die dauerhaft im Internet abzurufen seien.

Dieses Angebot ist kein Einzelfall. Immer mehr Opernhäuser und Orchester wollen über die üblichen Internet-Portale hinaus im virtuellen Raum auf sich aufmerksam machen. Vorreiter waren dabei die Berliner Philharmoniker. Seit Januar 2009 können Fans rund um den Globus circa 40 Konzerten pro Saison in der Digital Concert Hall mitverfolgen, für die ein eigenes Studio für Fernsteuerung der festinstallierten Kameras, Schnitt und Übermittlung der digitalen Signale eingerichtet wurde. „Die Zielgruppe ist delikat, weil sich nicht jeder Interessent an klassischer Musik souverän im Internet bewegt“, weiß Sprecher Tobias Möller. „Dennoch war die Resonanz größer als angenommen, so dass mittlerweile 400.000 Menschen bei uns registriert und 20.000 Tickets für bezahlte Inhalte im Umlauf sind.“ Im Gegensatz zum Gratis-Angebot der Bayerischen Staatsoper werden Usern nämlich abgesehen von Video-Specials zwischen 9,90 Euro pro Tag und 149 Euro jährlich für die Digital Concert Hall berechnet; zum einen, weil der Senat laut Möller der Ansicht ist, dass dieser Service nicht zu der von ihm bezuschussten „Grundversorgung“ zählt. Zum anderen, um die nötige Technik für Endgeräte vom PC über Tablets bis zu Smartphones und internetfähige Fernseher auf dem neuesten Stand zu halten. Mit „innovativen Technologien auf höchstem Niveau“ rechtfertigt ebenfalls die Wiener Staatsoper ihre Kosten von 14 Euro für jedes ihrer Live Streamings, die seit Ende 2013 angeboten werden. Außerdem herrscht hier laut Pressechef André Comploi die Ansicht, dass Kunst auch in der digitalen Welt einen Wert hat und entsprechend abgegolten werden muss. Dafür profitieren Kunden u.a. von mehrsprachigen Untertiteln und historischen Partituren, die durch eine Second Screen App synchronisiert werden, der Möglichkeit zur Wahl zwischen Gesamtsicht auf die Bühne und Nahaufnahmen oder UHD-Übertragung in noch brillanterer Qualität.

Wer bei Live-Übertragungen von den besten Bühnen nicht auf das Gemeinschaftserlebnis verzichten will, kommt in Kinos auf seine Kosten. Fünf waren mit von der Partie, als 2007 die erste Produktion der New Yorker Metropolitan Opera auf deutschen Leinwänden zu sehen war. Heute genießen bis zu 40.000 Zuschauer an 180 Orten von Aachen bis Zwickau Blockbuster wie „La Bohème“. „Die Met ist ein Selbstläufer“, freut sich Katja Raths von der flächendeckend zuständigen Firma Clasart. „Das Publikum hier liebt die Inszenierungen und Sänger auf Top-Niveau, bei denen man dank zwölf mobilen Kameras ganz nah dran sein kann.“ Ausverkaufte Säle sind daher an der Tagesordnung, mehr als acht bis zehn Mitschnitte pro Saison aber nicht geplant, „um den Event-Charakter zu erhalten“, so Raths. Diesen wissen seit 2011 auch Fans des Londoner Royal Opera House zu schätzen. Seine live übertragenen Musiktheater-Stücke und Ballette erfreuen sich ebenfalls wachsender Beliebtheit in deutschen, österreichischen und Schweizer Kinos. „Karten vor Ort sind kaum zu bekommen und sehr teuer. Außerdem sparen wir uns die Reise in die britische Hauptstadt. Und fühlen uns als Teil einer globalen Familie, weil wir gleichzeitig mit Menschen in anderen Ländern zuschauen “, erklärt ein Ehepaar mittleren Alters, das Stammgast der Reihe im Münchner Cinema ist. Der internationale Gedanke fasziniert auch Sopranistin Elisabeth Watts, die kürzlich als Zerlina in „Don Giovanni“ erstmals bei einer Live-Übertragung aus dem Royal Opera House vor der Kamera stand. „Auf diesem Weg viele Leute gleichzeitig zu erreichen, finde ich ebenso aufregend wie wichtig“, meint sie. „Meines Erachtens hilft das dabei, Berührungsängste abzubauen und Weltklasse-Kunst z.B. in ländlichen Gegenden wie beim mir zuhause im Westen Englands zugänglicher zu machen.“ Dabei geht es nicht nur um passiven Konsum. In den Pausen werden Twitter-Kommentare von Besuchern eingeblendet, die so interaktiv miteinander in Verbindung treten – und statt echtem Applaus oder Buhs ein Stimmungs-Barometer für die Veranstalter abgeben.

Box title goes here

Staatsoper TV der Bayerischen Staatsoper
nächster Gratis-Live-Stream: „Die Soldaten“ am 31.5.

Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker
Zugang nach einmaliger Anmeldung und Bezahlung

Livestreaming der Wiener Staatsoper
Zugang nach einmaliger Anmeldung und Bezahlung

Oper im Kino
Liste aller teilnehmenden Kinos auf dieser Internetseite

Livestream des Royal Opera House
Links zu teilnehmenden Kinos auf dieser Internetseite.
Nächste Live-Übertragung aus dem Royal Opera House: „Das Wintermärchen“ 28.4.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 129

Trending Articles